J Craft: Wie handgefertigte Runabouts von Gotland die Luxusbootszene erobern (2024)

Heute ist einer dieser windigen Tage an der Côte d’Azur. Seit den frühen Morgenstunden bläst es mit bis zu 25 Knoten aus Südwest, die Sonne strahlt vom Himmel, und es hat sich ein stattlicher Windschwell aufgebaut. Steile, bis zu einem Meter hohe Wellen rollen Gischt-peitschend über den Golfe de la Napoule und haben den Großteil der vor der Croisette vor Anker liegenden Großyachtflotte vertrieben. Radenko Milakovic, Eigentümer der schwedischen J-Craft-Werft, freut sich jedoch geradezu über das Wetter und drängt uns förmlich, seine 12,80 Meter lange J Craft Torpedo R auszufahren.

Schon beim Verlassen der Windabdeckung der Hafen­mauer des Vieux Port in Cannes wird klar: Es ist ruppig! Doch J-Craft-Captain und -Kenner Tibor Krocker bleibt entspannt und drückt die Kommandogeber nach vorn.

Selten hat mich ein Boot schneller überzeugt. Mit bis zu 42 Knoten brettern wir über die große Bucht vor Cannes Richtung Théoule-sur-Mer, es geht genau gegen den Wind. Macht zusammengerechnet über 60 Knoten Wind – also Windstärke zehn – von vorn, und wir fliegen nur so über die Wellen! Sehr zu meiner Überraschung können wir uns im Gästeco*ckpit hinter der Windschutzscheibe noch komfortabel und in normaler Lautstärke unterhalten. Bootsdesign vom Feinsten. Zudem vermittelt der elf Jahre alte GFK-Rumpf unseres Testbootes „Natalia“ eine beeindruckende Robustheit. Schockverliebt reagiere ich, als Tibor – netterweise mit Vorankündigung – das filigran wirkende Nardi-Steuerrad komplett einschlägt und wir uns mit gefühlt 20 Grad Krängung und wie auf Schienen in die Kurve legen. Wir liegen so schräg, dass die unten sitzenden Gäste ihre Hand ins Wasser strecken können – ähnlich einem Surfer in der Tube. Ich begreife die Faszination dieser Schiffe, die für einen Startpreis von 1,3 Millionen Euro und in 8000 Stunden Handarbeit exakt nach Kundenwunsch in Schweden entstehen. Wieder zurück im Hafen von Cannes, erzählt uns Radenko Milakovic die Geschichte der Werft und wie er J Craft entdeckt hat.

J Craft realisierte robuste nordische Version der Riva-Runabouts

„Meine Mutter war Putzfrau und mein Vater Zimmermann“, sagt der sympathische Schwabe, während wir im gemütlichen Gästeco*ckpit sitzen. „Unsere Familie ist aus dem ehemaligen Jugoslawien nach Deutschland ausgewandert, als ich noch ein kleiner Junge war, aber mein Vater hat mich nicht ermutigt, in seine Fußstapfen zu treten. Er sagte sogar, ich hätte zwei linke Hände, wenn es um das Tischlerhandwerk ging.“

Dem Rat seines Vaters folgend, nutzte Milakovic seine linke Gehirnhälfte anstelle seiner beiden linken Hände und machte eine erfolgreiche Karriere im Finanzwesen. Und obwohl Zahlen seine Berufung zu sein scheinen, weiß er immer noch ein schönes Stück Holz- und Handarbeit zu schätzen, wie das Mahagoni-Schmuckstück, auf dem wir uns unterhalten. J Craft wurde 1999 auf der schwedischen Insel Gotland von Björn Jansson gegründet, der eine robuste nordische Version der Riva-Runabouts bauen wollte. Sein 11,60 Meter langer Cabrio-Cruiser im Retrostil wurde aus GFK und Mahagoniholz gefertigt. König Carl Gustaf von Schweden nahm den ersten Rumpf in Empfang, und die Werft ging in den vollen Produktionsmodus über – ein sorgfältig gebautes Boot pro Jahr.

Verlagssonderveröffentlichung

„Meine Annäherung an J Craft war typisch, wie für so viele andere Eigner: Ich sah dieses schöne Boot und begann mit dem Mann zu sprechen, der es fuhr“, erinnert sich Radenko. Die Begeisterung für die Marke war geweckt, und gemeinsam mit seiner amerikanischen Frau fasste er den Entschluss, für einen Sommer im Mittelmeer einen Cabrio-Cruiser zu chartern. Doch obwohl das Paar den Retrolook liebte, stellte es schnell fest, dass die geringe Größe des Weekenders dann doch eine Einschränkung darstellte. Zudem entsprach das Fahrverhalten nicht Radenkos Wünschen. „Ich hatte das Gefühl, dass ich ein bisschen mehr Boot brauchte, und die Ruder waren zu klein“, erzählt er. „Der Cabrio-Cruiser muss sich erst bewegen, bevor er gut auf Steuerbefehle reagiert – für mich als Bootslaien war das kein angenehmes Gefühl.“

Von der Entwicklung des Rumpfes zum Erwerb der Werft

Nachdem er vom IPS-System von Volvo Penta gehört hatte, das sich intuitiv per Joystick steuern lässt und Top-Performance verspricht, ging Milakovic auf die Schweden zu, um über ein eigenes Boot zu sprechen. Er traf sich mit Johan Hallén, dem Bootsbaumeister von J Craft, und diskutierte den Einbau eines IPS-Systems in einen Cabrio-Cruiser. Hallén war überzeugt, dass die besten Ergebnisse mit einem speziell entwickelten Rumpf erzielt werden könnten. Schon bald führte Radenko Milakovic Gespräche mit Jansson nicht nur über einen neuen Rumpf, sondern auch über den Erwerb der Werft und der Marke J Craft. Nachdem Björn Jansson im Jahr 2007 verstorben war, löste Milakovic sein Versprechen ein, J Craft zu kaufen. Zwei Jahre später ging die erste Einheit des 12,80 Meter langen J-Craft-Modells Torpedo mit IPS-Antrieb zu Wasser.

Während der Cabrio-Cruiser stilvoll, sexy und markant wirkt, ist die Torpedo durch und durch feminin, mit einem stark geschwungenen Deep-V-Rumpf inklusive formschönem Tumble­home, der im Heck schmal und mit Seitenflossen und Bade­plattform ausläuft. Die Form der Windschutzscheibe, das hochglanzpolierte Mahagoni und die funkelnden Chromdetails rufen Bilder vom Dolce Vita in seiner glamourösesten Form hervor, dennoch kann die Torpedo dank ihres Volvo-Penta-IPS-Antriebssystems effizient und mit sanft gluckernden Moto­ren auf über 40 Knoten beschleunigen und lässt sich zugleich intuitiv bewegen.

Das Ruder der J Craft Torpedo R selbst in die Hand nehmen

Während mehrere Torpedos als Tender oder Chaseboat für Superyachten verkauft wurden, nehmen viele Eigner das Nardi-Ruder bevorzugt selbst in die Hand, so wie sie es auch beim Fahren ihrer Oldtimer tun. Tatsächlich ist es der Nerven­kitzel, eine solche Schönheit zu steuern, und das einfache und reaktionsschnelle Handling, das die Runabouts bei den Eignern so beliebt macht. „Die Torpedo R ,Natalia‘, die wir derzeit als Vorführboot nutzen, war ein Tender für eine 87-Meter-Lürssen“, sagt Radenko und hebt ein co*ckpitkissen an, um den darunter verborgenen Ladehaken freizulegen. „Sie war wohl eher ein Spielzeug für kurze Kaffeefahrten und Gästetransfers, kann aber problemlos an einem Nachmittag von Südfrankreich nach Sardinien fahren.“ Für Wochenendausflüge gibt es eine Schlupfkabine unter dem co*ckpit, und der Raum unter Deck lässt sich durch das hydraulische Absenken des Tisches in eine weitere Kabine mit Doppelbett verwandeln. Ein kompaktes Bad komplettiert das Interior.

Obgleich das Modell vorgegeben ist, gibt es Variationen, die über die Oberflächenaspekte hinausgehen: So bietet die Werft seit Kurzem die Installation eines Seakeeper-Kreisel­stabilisators an, sodass der Tender vom Mutterschiff aus leichter zu boarden ist. Auch bei den Motoren haben Eigner die Wahl: Die Torpedo RS legt mit dem neuen Volvo-Penta-IPS-650-Antriebssystem ab, das 30 Kilowatt mehr Leistung und einen geringeren Kraftstoffverbrauch bietet als das bis dato verbaute IPS-600-Paket. Derzeit existieren nur 28 Boote aus J-Craft-Hallen, und die Flotte wächst nur langsam. Mehr als zwei bis drei Boote pro Jahr kann – und will – das kleine Werftteam um Bootsbaumeister Johan Hallén nicht bauen.

Hervorragende Wiederverkaufswerte

Zusammen mit der Schönheit der Torpedos sorgt diese Art der Verknappung für hervorragende Wiederverkaufswerte – eine Tatsache, die Werftbesitzer Radenko Milakovic stolz macht. Die Leidenschaft für seine Werft ist dem ehemaligen Investmentbanker anzusehen; er kennt die Stärken der Marke, die kaum auf Boatshows präsent ist.

Die meisten unserer Kunden kommen durch Mundpropaganda zu uns, oder sie sehen eine Torpedo im Hafen, sind begeistert und fragen sich so lange durch, bis sie schließlich bei uns landen.“

J Craft setzt auf innovative Technologie und kleidet sie in ein analoges Gewand, wie ein Blick auf das Armaturenbrett bestätigt. Die schwedischen Bootsbauer sind auch in dieser Hinsicht ein Ausreißer in der heutigen Welt. Der Vintagelook der Torpedo wird nie langweilen, und mit 8000 Stunden Handarbeit, die in jeden Aspekt des Baus fließen, wird die Werft nie große Stückzahlen verkaufen. Möchte sie auch gar nicht.

Die Gotländer verzichten auf Globalisierung und setzen stattdessen auf ein lokales Konzept, das sich von den Mitarbeitern bis hin zum Volvo-Penta-Antrieb und den Zipwake-Trimmsystemen erstreckt. Vor allem aber ignoriert J Craft moderne Forderungen nach Diversifizierung und produziert nur ein einziges Modell: die Torpedo.

„Wir wollen nicht alles für alle sein“, sagt Werfteigner Radenko Milakovic. Er tut das mit der Ausstrahlung eines Mannes, der seine große Liebe gefunden hat und nicht nach mehr sucht.

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